Francofonia / Film /Anmerkungen zur Produktion

Anmerkungen zur Produktion

In Sokurovs Arbeitsweise gibt es nichts “Ungefähres”, sondern eine Freiheit der Interpretation, die auf dem Boden von Fakten, Bildern und Tönen entsteht, die Sokurov nach und nach sammelt, übersetzt und organisiert. Während der achtzehn Monate dauernden Entwicklungsphase, die von den Produzenten, dem Louvre, dem MEDIA Programm, CNC in Frankreich und dem Deutsch-Russischen Co-Development Fonds finanziert wurde, sammelte Alexander Sokurov präzise historische Fakten, eine Recherche, die eine wichtige Rolle in seinem besonderen kreativen Prozess spielte und seine künstlerische Vision für den Film bereicherte. Was er sucht, ist nicht eine historische oder eine auf hypothetischer Spekulation beruhende Wahrheit, sondern etwas, was man vielleicht als eine “organische Wahrheit” bezeichnen könnte – das Produkt seiner sehr persönlichen und oft überraschenden Vision. Sokurov ist auf der Suche nach dem, was meist unsichtbar bleibt. In FRANCOFONIA verschwinden die Grenzen zwischen dem Dokumentarischen und dem Fiktionalen – damit will der Film nicht in die Richtung des Falschen oder Rekonstruierten führen, sondern zu überraschenden Einsichten, Analogien, Korrespondenzen gelangen. Auch Sokurov ist in diesem Prozess, wie er in seinen Anmerkungen zum Film schreibt, ein Lernender. Aber natürlich ist er, auf herausragende Weise, vor allem ein Gestaltender.

Welche Bedeutung können wir der Aneignung von Kunstwerken durch eine Besetzerarmee zumessen? Wir sprechen über die Okkupation Frankreichs durch Nazideutschland während des Zweiten Weltkriegs. Die Besatzer, um die es hier geht, wurden von der Ideologie des Nationalsozialismus getrieben. Es gibt in der Geschichte unzählige andere Beispiele für Plünderungen, Enteignungen, Erpressungen und Exporte von Kunstwerken in der Geschichte. FRANCOFONIA ist eine Meditation über den einzigartigen Charakter eines jeden Kunstwerks und die Sehnsucht danach, sich das, was Walter Benjamin die Aura eines Kunstwerks nannte, anzueignen.

Sokurovs Film ermutigt dazu, über die komplexen Beziehungen zwischen persönlicher Aneignung und Herrschaft, zwischen der politischen Vision der Welt und der ästhetischen Repräsentation der Welt nachzudenken. Welche sind die Werte, die uns wirklich bewegen? Welche Werte halten unsere Gesellschaft zusammen, machen sie lebendig und widerstandsfähig? Sokurov verortet seinen im besten Sinn essayistischen Film in der Zeit von Krieg und Vernichtung, wo wohlfeile Sonntagsreden wirkungslos sind. Für welche Werte und Werke setzen wir uns ein, mit Leib und Seele?
Indem wir diese Fragen stellen, beginnen wir zu begreifen, welch unermesslichen Wert unsere Museen heute haben – in diesem Fall der Louvre mit seinen unschätzbaren Kunstwerken und tief bewegenden Zeugnissen menschlicher Kreativität und Welterfahrung über alle kulturellen, religiösen, ideologischen Schranken hinweg.

All diese Themen sind in FRANCOFONIA wahrnehmbar. Doch sie werden nicht frontal verhandelt, sondern mit der Subtilität des poetischen Kinos, mit sukzessiven Pinselstrichen, mit denen das Material Schicht für Schicht aufgetragen wird. Es geht um etwas, was man nur schwer fassen, sagen oder zeigen kann. Warum fasziniert das Lächeln – ist es überhaupt ein Lächeln? – der Mona Lisa oder Géricaults Floß der Medusa bis heute? Welche Konsequenzen hat diese Faszination?

Wie in vielen seiner früheren Filme benutzt Sokurov in FRANCOFONIA eine Kombination von Techniken: das Filmen mit Digitalkameras, die Einbeziehung von Archivmaterial, die Bildbearbeitung durch Hinzufügen, Überblenden oder Nutzung anderer visueller Komponenten, das Verzerren oder Verändern von Perspektiven. Vielleicht ist es das, was Sokurovs Meisterschaft wesentlich ausmacht: Wo diese Vielzahl von Quellen und Techniken zur Verwässerung, zum effekthascherischen Eklektizismus führen könnte, gewinnt FRANCOFONIA mit dem Einsatz aller Mittel eine souveräne stilistische Geschlossenheit.

Die Produktion von FRANCOFONIA brachte drei Länder und drei Produzenten zusammen, die mit Alexander Sokurovs Filmen und Arbeitsmethoden bestens vertraut waren, da sie schon mehrere Filme produziert oder vertrieben hatten: Aus Frankreich Pierre-Olivier Bardet (Ideale Audience) – er hat mehrere Dokumentationen und Elegien von Sokurov produziert und vertrieben, darunter ELEGY OF A VOYAGE; aus Deutschland Thomas Kufus (zero one films) – er hat einige von Sokurovs Spielfilmen koproduziert, darunter MOLOCH und VATER UND SOHN; aus den Niederlanden Els Vandevorst (N279 Entertainment), die Koproduzentin von Sokurovs VATER UND SOHN. Das Budget des Films umfasste 1,8 Millionen Euro.

Trailer Kinofinder Zum Film Artwork & Texte Bilder Home Kontakt + Impressum Datenschutzerklärung Piffl-Newsletter Pressebetreuung Verleih

FRANCOFONIA. Ein Film von Alexander Sokurov.