Francofonia / Hintergrund / DER LOUVRE IN DER ZEIT DER NAZI-OKKUPATION

DER LOUVRE IN DER ZEIT DER NAZI-OKKUPATION

Die Ziele des Staates und die Kunst stimmen selten überein

Im Angesicht des drohenden Kriegsausbruchs nach der Invasion des Sudetenlands durch die deutsche Wehrmacht packte man die Kunstsammlung des Louvre auf Anweisung des Direktors Jacques Jaujard am 27. und 28. September 1938 zusammen und transportierte sie mit LKWs zum Château de Chambord im Loire-Tal, gemäß einem Plan der französischen Nationalmuseumsabteilung. Wenige Tage später, nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens, wurde die Evakuierung gestoppt, und man brachte die Kunstwerke wieder nach Paris zurück. Anfang September 1939 wiederholte Jaujard die Prozedur: Die Kunstwerke, die dem Museum und anderen Museen in Paris gehörten, wurden aus Paris ausgelagert, vor allem um sie vor möglichen Bombardements zu schützen – weniger wegen der Gefahr einer möglichen Besetzung. War das Château de Chambord der Hauptlagerort, wurden auch andere Schlösser unter Einwilligung der Besitzer beschlagnahmt, um die Sammlungen zu beherbergen. Die Kuratoren übernahmen die Verantwortung für die Lagerorte. Gleichzeitig traf man auch im Louvre selbst Schutzmaßnahmen: die Skulpturen wurden mit Sandsäcken geschützt, eine Feuerschutzanlage wurde installiert, die Fenster verhüllt. Die Bilder und Skulpturen, die nicht evakuiert worden waren, wurden im Keller gelagert. Die Rahmen der Kunstwerke, die man entfernt hatte, blieben an ihrem Platz.

Im Frühjahr 1940 wurde in Deutschland Franziskus Graf Wolff-Metternich, der Kurator des Rheinlands, zum Leiter des “Kunstschutzes”, berufen, einer dem Oberkommando des Heeres-Generalquartiermeisters Wehrmacht zugeordneten Abteilung, die häufig im Widerspruch zu anderen Organisationen des NS-Staates wie der SS oder des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg” stand. Als Leiter des “Kunstschutzes” war Wolff-Metternich für den Louvre zuständig. Nach dem deutschen Sieg über Frankreich und der Teilung in den der deutschen Militärverwaltung in Paris unterstellten Norden und den unbesetzten Süden (Vichy), wurde der Louvre am 29. September 1940 teilweise wiedereröffnet. Der Eröffnungszeremonie wohnten Jaujard und Metternich (der eine Rede hielt) bei, außerdem Generalfeldmarschall von Rundstedt, Hermann Bunjes und der Botschafter Otto Abetz. Ab Oktober 1940 waren einige Skulpturengalerien einige Tage in der Woche für die Öffentlichkeit zugänglich. Ein Verkaufsstand für Postkarten wurde eröffnet, Hermann Bunjes schrieb einen Museumsführer in deutscher Sprache, für deutsche Offiziere und Soldaten wurden Führungen organisiert.
Der Kunstschutz unter Graf Wolff-Metternich sah sich zunehmend mit einem Dilemma konfrontiert: Man musste mit dem Einsatzstab von Reichsleiter Rosenberg kooperieren, der gemäß einem “Führerbefehl” vom Juli 1940 den Auftrag hatte, alle kulturellen und „herrenlosen jüdischen“ Kunstgegenstände von Wert zu konfiszieren. Da es bis auf die Haager Konvention und den Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich keine besonderen Regelungen gab, versuchte Wolff-Metternich seinen Auftrag in Übereinstimmung mit internationalem Recht umzusetzen. In den deutschen Archiven findet man zum Thema der Kunstdiebstähle in Frankreich zahlreiche Zeugnisse des bizarren Spektakels, das sich während dieser Kriegsmonate abspielte: Metternich, der seine Position behauptete, zog die Feindseligkeit des deutschen Botschafters, Alfred Rosenbergs und des Reichsmarschalls Göring auf sich. Die Spannungen zwischen Wolff-Metternich und den anderen Organisationen der Okkupation sowie seinen Vorgesetzten in Berlin verstärkten sich. 1942 wurde Wolff-Metternich schließlich aus Paris abgezogen, doch er beaufsichtigte die Arbeit seiner Mitarbeit noch einige Zeit weiter von Bonn aus, bevor er ganz in Ungnade fiel.

Jaujard war über die gesamte Dauer des Kriegs in Paris und Frankreich. Mit seinem alten Renault fuhr er von Château zu Château, um die evakuierten Kunstsammlungen zu inspizieren. Als die Kampfhandlungen an Paris heranrückten, organisierte er unter Einbeziehung aller verfügbaren Mitarbeiter und Kuratoren ein Schutz- und Verteidigungssystem im Louvre.

Die ersten Gefechte erreichten Paris am 19. August 1944. Die Hauptgefahr für den Louvre bestand in seiner Lage in der Nähe des deutschen Hauptquartiers im Hotel Meurice. Obwohl die Kämpfe um die Befreiung von Paris rund um den Louvre stattfanden, wurde das Museum nicht nennenswert beschädigt. Am 25. August 1944 zog die Panzerkolonne unter Führung von General Leclerc in die Stadt ein. Die Schlacht in den Tuilerien endete gegen vier Uhr nachmittags mit der Kapitulation der deutschen Truppen.

Ab Oktober 1944 wurden die Sammlungen nach und nach zurückgebracht und der Louvre teilweise wieder geöffnet. Für den Rücktransport der Kunstwerke richtete man eine Kommission unter Führung von Jaujard ein, die auch die Aufgabe hatte, die von den deutschen Besatzern entwendeten Kunstwerke wieder aufzufinden. Im Juli 1945 wurde der Louvre vollständig wiedereröffnet. Die Sammlungen des Louvre hatten den Krieg fast unbeschadet überstanden – anders als die Kunstwerke, die den jüdischen Opfern unter der Nazi-Okkupation und des Petain-Regimes geraubt worden waren.

Der Louvre ist mit jährlich 10 Millionen Besuchern bis heute das meistbesuchte Museum der Welt.

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FRANCOFONIA. Ein Film von Alexander Sokurov.